Insgesamt haben über eine Million Menschen die Ukraine in den letzten zwölf Tagen verlassen, Prognosen sprechen von kommenden vier bis fünf Millionen Menschen. Während Männer ihre Familien bis zur Grenze fahren und dann umkehren müssen, überqueren Frauen und Kinder mit Rollkoffer und Plastiktüten die Grenzen.

Das ist ein Bericht des ersten Tages der humanitären Hilfe in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Rahma Austria. Wir sind am Freitag, dem 04.03.2022 um 5 Uhr in der Früh in Wien abgefahren. Unsere Strecke führte über Bratislava und Poprad nach Konice in der Ostslowakei. Die ukrainischen Flüchtlinge kommen in Konice an und werden von dort aus ins Landesinnere gebracht. Um uns ein Bild von der Lage zu machen, haben wir uns bewusst zum Bahnhof von Konice begeben, wo die Flüchtlinge per Busse und der Bahn von der ukrainischen Grenze gebracht wurden. Von dort aus ging es für viele in Richtung Westeuropa.

Am Bahnhofsgelände empfangen einheimische Hilfsorganisationen und Kirchengemeinden die Flüchtlinge und bieten ihnen eine Erstversorgung an. Diesen Organisationen übergaben wir auch die mitgebrachten Hilfsgüter, wie Hygiene- und Lebensmittelpakete.

Darüber hinaus dient das Freibad von Kosice als Empfangsstation für all jene, die keinerlei Ahnung haben, wie es weitergehen soll. Ihnen wird Unterkunft, Essensausgabe, Spielecke, kostenlose SIM-Cards, Internet & Wifi, ein Ruheraum und einiges mehr von Ehrenamtlichen vor Ort angeboten. Auf dem Gelände befinden sich auch Schlaf-Container, die für Familien eingerichtet sind. Unsere Hilfe wurde hier ebenfalls willkommen geheißen.

Wir wollten aber auch den Ort des Geschehens sehen; die slowakisch-ukrainische Grenze. Daher fuhren wir weitere 1,5 Std. bis nach Vyšné Nemecké, der ein slowakischer Grenzort ist. Vor Ort waren wir sehr überrascht über die große Solidarität und Hilfsbereitschaft, die binnen weniger Tage hier angelaufen ist.

Unsere Hilfsgüter wurden begrüßt und man bat uns, diese in den Nachbarort Sobrance zu bringen, weil von dort aus die Koordination und Verteilung laufe und sie zu diesem Zeitpunkt an der Grenze gut versorgt waren. Dazu hat sich die dortige Kirche entschieden, ihren Festsaal und andere Räumlichkeiten als Depot anzubieten und somit konnten wir mit den dortigen Ehrenamtlichen ins Gespräch kommen.

Nachdem wir jedoch gesehen hatten, dass in der Slowakei die Flüchtlingshilfe sehr gut funktionierte, haben wir uns entschieden, zum Hauptflüchtlingsstrom über Liev nach Polen weiterzureisen. Dafür mussten wir vier Stunden über zwei Bergpässe fahren. Die Wetterverhältnisse waren extrem; wir hatten Schneefall, Wind, Minusgrade. Da denkt man sehr schnell an Menschen, die sich gerade auf der Flucht befinden, ganz egal wo auf dieser Welt.

Wir kamen um 21.00 Uhr im polnisch-ukrainischem Grenzort Przemyśl an, der sich nur 10 km von der Grenze zur Ukraine befindet. Auf dem Gelände eines ehemaligen Einkaufszentrums haben die polnischen Behörden erst vor wenigen Tagen die Erstversorgungsstation für die Flüchtlinge errichtet.

Die polnische Polizei eskortierte die Busse von der Grenze weg, um Frauen, Kinder und alte Menschen nach Polen zu bringen, um sie dann zu versorgen, zu informieren und ins Landesinnere oder ggf. dem Wunschort dieser Menschen zu schicken.

Jede Hilfe wird gebraucht.

Da nicht abzusehen ist, wie viele Menschen noch kommen werden und wie lange dieser Flüchtlingsstrom noch dauern wird, herrscht ein Gefühl der Ratlosigkeit. Als wir die Menschen aus den Bussen aussteigen sahen, dachten wir, dass hier der richtige Ort ist, diesen Menschen eine kleine Freude zu machen, mit einem sogenannten Willkommenspaket, und so begannen wir, unsere Pakete zu verteilen. Im jedem dieser kleinen Pakete waren 2 Semmeln, 3 Packungen mit Säften, 2 Schokoriegel, Studentenfutter und eine Packung Kaugummi, die sich wie warme Semmeln absetzen ließen.

In wenigen Stunden waren 800 Pakete verteilt und wir wollten uns anschließend ein wenig ausruhen. Doch im Umkreis von 30 km waren alle Hotels ausgebucht und voll (vermutlich auch, um Flüchtlinge unterzubringen). Also reisten wir 40 km in Richtung des Landesinneren, um ein Hotel zu finden. Auch dort haben wir beim Frühstück mehrere Flüchtlingsfamilien gesehen (Frauen und Kinder; ihre Ehemänner durften nicht ausreisen).

Im Nachhinein erfuhren wir, dass viele von ihnen sehr lange gereist sind, um in Polen überhaupt anzukommen; eine Familie aus Charkiw sagte uns, dass sie 30 Stunden unterwegs war. Und sie waren noch lange nicht dort, wo sie hinwollten.

Der zweite Tag (Samstag, 05. März) begann mit den Vorbereitungen für die Verteilung, sodass wir in der Früh begonnen haben, die letzten Lebensmittelpakete aufzufrischen und die Hygienepakete herzurichten. Als wir im Grenzort Przemyśl ankamen, hatten wir das Gefühl, dass viel mehr Busse, Essensstände und ehrenamtliche Personen vor Ort waren, als noch vor wenigen Stunden. Als hätte sich ganz Europa mit den Flüchtlingen solidarisiert und wäre herbeigeeilt, um irgendwie zu helfen. Wir sahen viele Fahrzeuge mit Menschen aus Deutschland und Österreich, die spontan Lebensmittel, Sachspenden und Hygieneartikel gesammelt hatten und hergefahren waren. Vor Ort suchten sie dann Flüchtlingsfamilien, die sie evtl. auf ihrer Rückfahrt zu einem Wunschort fahren könnten und boten Mitfahrgelegenheiten an.

Es waren also inzwischen sehr viele HelferInnen aus ganz Europa angereist, die sich am Wochenende in der Flüchtlingshilfe engagieren wollen. Wir wurden gefragt, ob wir jemanden kennen, der nach Deutschland mitfahren möchte.

Auf dem Gelände des ehemaligen Einkaufszentrums sahen wir mindestens 20 Busse mit offenen Türen, die bald abfahren würden. Die Busse füllten sich mit dem Ankommen von neuen Flüchtlingen. Im Einkaufszentrum selbst wurden die Flüchtlinge registriert, kostenlose SIM-Karten für Polen ausgegeben, Anzeigen für Mitfahrgelegenheiten aufgegeben, Verpflegung der Angekommenen und medizinische Versorgung gewährleistet.  Unser Auftrag für den zweiten Tag war es, 200 Lebensmittelpakete an die neuangekommenen Menschen zu verteilen. Darüber hinaus waren 1000 Hygienepakete zu übergeben.

In den Augen der Flüchtlinge ist Angst und Perspektivlosigkeit zu beobachten. Viele von ihnen wussten nicht, wie es morgen weitergeht; daher helfen Spendenaktionen – auf jeden Fall – um einen guten Zweck zu erfüllen, eine gute Sache ins Rollen zu bringen und meist eine große Stütze für diese Leute zu sein; auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, hilft es, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und ihre Last und Angst wenigstens in dem Moment ein wenig vergessen zu lassen.

Umso mehr erfreut es uns, dass junge Menschen, wie unsere Schülerinnen und Schüler an der HAK/HAS/AUL Sacré Coeur sich für solch eine Spendenaktion aussprechen und die Menschen in Not unterstützen.

Hoffen wir, dass dieser Krieg in der Ukraine bald ein Ende findet und durch politisches Geschick zu einer guten Lösung kommt. Möge Gott allen Menschen in Not beistehen und den Menschen, denen es gut geht, Kraft und Mut geben, aufzustehen und sich für das Gute und die Menschlichkeit einzusetzen. Der beste Mensch ist derjenige, der den Menschen am Nützlichsten ist.

Mahmut Yavuz

06.03.2022 Prmysl (Polen)